Der Mythos bei der Umformbarkeit

Warum die Bruchdehnung keine gute Messgröße für die Umformbarkeit ist, wenn es um extra- und ultrahochfeste Stähle geht.

Fangen wir an mit einer Frage:
Können komplexe Bauteile aus Stahl mit einer Zugfestigkeit von 1.400 MPa umgeformt werden, die eine Bruchdehnung von nur 3 bis 4 Prozent aufweisen?

Die richtige und für einige wohl überraschende Antwort lautet Ja – und hier erklären wir warum. Die Bruchdehnung entspricht nicht der Umformbarkeit, wenn es um extra- und ultrahochfesten Stahl geht.

Das Missverständnis, dass die Umformbarkeit eines Stahls ausschließlich durch seinen Bruchdehnungswert gemessen werden kann, ist ein Glaube, der leider noch bei einigen Herstellern verbreitet ist. Er führt dazu, dass bei der Aufrüstung von Automobilteilen viele Möglichkeiten verpasst werden und die Potenziale von hochfestem Stahl nicht ausgeschöpft werden. Ein genauerer Blick zeigt, wie dieser Methos entstehen konnte.

Mehr über diese Geschichte

Alles begann mit den Zugversuchen, bei denen die Bruchdehnung ermittelt wird, indem einfach ein Muster des Stahls auseinandergezogen wird, bis es bricht. Die auftretende Verformung vor dem Bruch wird in Prozent gemessen – als Wert der Bruchdehnung. Ursprünglich wurde dieser Test entwickelt, als herkömmliche unlegierte Stähle weit verbreitet und hochfeste Stähle noch unbekannt waren.

Bei der Durchführung des Tests bei unlegierten Stählen trifft zu, dass die Umformbarkeit eng mit der Bruchdehnung verknüpft ist, da die Verformung konsistent über 80 mm auftritt. Aufgrund ihrer komplexen Mikrostrukturen verhalten sich aber extra- und ultrahochfeste Stähle anders und die Messung der Bruchdehnung über 80 mm ergibt keinen genauen Umformwert.

Lars Troive, Experte für Umformung bei SSAB, erklärt:
„Herkömmliche, klassische unlegierte Stahlgüten haben ein eher globales Verformungsverhalten. Während eine extra- und ultrahochfeste Stahlgüte eine Bruchdehnung von nur drei oder vier Prozent, gemessen über 80 mm, aufweisen kann, tritt lokal eine viel stärkere Verformung auf.“

Eine gute Art zur Messung der tatsächlichen Umformgrenzwerte von extra- und ultrahochfesten Stählen ist die Anfertigung eines 2 mal 2 mm Gitters auf einem Zugversuchs-Prüfstück. Nach dem Versuch sollte dann der Bereich in der Nähe des Bruchs betrachtet werden. Wenn wir bespielsweise einen Zugversuch mit dem extrahochfesten Docol® 1000DP Stahl betrachten, stellen wir fest, dass sich die Verformung auf den Bereich des Bruchs konzentriert.

„Nur durch Betrachtung mit einem Abstand von 2 mm und Messung, wie stark das Gitterkästchen verformt ist, kann festgestellt werden, dass es sich um 20 % ausgedehnt hat. Die Bruchdehnung über 80 mm ist andererseits nur 10 %. Und bei der Umformung eines Details treten praktisch alle Verformungen lokal auf. Deshalb sagt ein herkömmlicher Zugversuch, der die Bruchdehnung über einen Abstand von 80 mm misst, nichts darüber aus, wie umformbar ein hochfester Stahl ist“, sagt Troive.

Das FLD befragen

Wo können Sie also genaue Umforminformationen für verschiedene Güten von extra- und ultrahochfesten Stählen bekommen? Wir bieten Grenzformänderungsdiagramme (FLDs) für alle Docol® Stahlgüten an.

Die FLDs zeigen die Ergebnisse verschiedener Tests an, die auf der Basis von lokalen Beobachtungen bei der Bruchdehnung für verschiedene Formänderungswege ausgeführt werden, d. h. nicht nur für den Zugversuchsfall. Zusätzlich zu den FLDs können wir tiefere Erkenntnisse und Hinweise über extra- und ultrahochfeste Docol® Stähle geben, um sicherzustellen, dass Sie optimal von Ihrer Materialwahl profitieren.

Lassen Sie uns daher diesen Mythos endgültig aus der Welt schaffen. Wenn es um extra- und ultrahochfeste Stähle geht, verwenden Sie nicht die Bruchdehnungsergebnisse als einzige Messgröße für die Umformbarkeit eines Stahls. Es ist viel mehr möglich – und die Möglichkeiten für eine Aufrüstung mit einem Stahl mit einer größeren Festigkeit sind umfangreicher, als Sie vielleicht denken.


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